»INTERVIEW MIT Photoinc«

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Ich freue mich unsere neue Kategorie “zu Gast” mit Rüdiger Beckmann einzuweihen.

Nicht nur, weil eine seiner Aufnahmen zu meinen Favoriten gehört sondern auch, weil die Anbahnung des Interviews mit ihm so vielschichtig, spannend und direkt war, wie seine Bilder es sind.
Letztendlich haben wir gemerkt, dass ein Interview mit ihm so viel Neues nicht zu Tage spülen würde. In einer Vielzahl von Blogs, Rezensionen und Magazinen wurde bereits vieles gesagt … wen es interessiert, der guckt bitte hier.

Wer aber seine Bilder betrachtet, spürt die emotionale Nähe, die zwischen ihm und den Modellen bestanden haben muss. Nie hat man das Gefühl, dass das Posing dirigiert, die Situation inszeniert oder das Ergebnis auf Licht, Photoshop und Haut reduziert wurde. Keine Schublade, so könnte man die Aufnahmen kategorisieren … nicht Beauty, nicht Trash, nicht Schnick, nicht Schnack … vielschichtig, nah, emotional und direkt.

Spannend war es nun für mich, wie es zu diesen Bildern kommt und welcher Prozess da im Gange ist.
Rüdiger war so nett uns dies im folgenden Gastbeitrag zu beschreiben.
Also schon mal im Voraus … vielen Dank Rüdiger!

Florian


Jeder Fotograf hat seine persönliche Leidenschaft, die seine Handschrift bestimmt. Wie habe ich meinen Schwerpunkt gefunden? An der Hochschule wurde mir beigebracht, Bilder im Kopf zu ersinnen und dann umzusetzen. Etwa 2005 habe ich in einer Session eher nebenbei bemerkt, dass mich solche Bilder eigentlich kaum interessieren. Warum soll ich denn Bilder machen, die ich schon gesehen habe? Mir kam es immer so vor, als wäre dieses Arrangieren nur ein Making-Of, ein So-tun-als-ob. Ich begann also auf eine andere Suche zu gehen. Rein optische Dinge wie Aussehen, Lichtsetzung und Komposition rückten schnell immer weiter in den Hintergrund.

Mich interessiert das emotionale Befinden der portraitierten Person, ihre Gefühlswelt, an welchem Punkt im Leben sie gerade ist und welche Frage sich ihr gerade stellt. Ich suche die Situation, in der ich etwas Authentisches beobachten, kennenlernen und erfahren darf. Am spannendsten ist es, wenn wir uns im Zwiegespräch beide etwas geben können, schlauer werden, uns trauen, etwas Neues anzunehmen, wenn wir wachsen können. Sei es einfach dadurch, mit den Dämonen und Zerrbildern aufzuräumen, die wir alle in uns haben, oder dadurch, dass wir erleben, dass wir echt und ehrlich sein dürfen und dies tatsächlich schön auf einem Bild erscheinen kann.

Ich erlebe es oft, dass die abgebildeten Personen am Anfang noch gar nicht bereit sind für ihre Bilder. Ich denke, das ist ein gutes Zeichen. Für mich bedeutet es, einen Weg zu gehen. Durch die Bilder können wir das überprüfen, wir können immer mal wieder in die eigene Dokumentation schauen. Es ist ein spannendes Lebenstagebuch.

Die Basis dafür entsteht nicht sofort. Manchmal dauert diese Annäherung eine lange Zeit. Deshalb muss ich mir sehr genau aussuchen, mit wem ich diesen Weg gehen kann. Einige begleite ich schon seit 12 Jahren. Andere finden das Ganze kurz spannend und verschwinden nach einer Weile wieder. Und nach Jahren kommen sie vielleicht noch einmal wieder, weil sie dann wieder etwas Neues suchen, oder weil sie etwas in den alten Bildern fanden, das ihnen erst viel später klar wurde.

Meine Art zu arbeiten bringt Freiheit, aber auch Unsicherheit mit sich, weil die Ergebnisse nicht vorbestimmt sind. Es ist ein Schaffen von Möglichkeiten, nicht von Fakten. Was die Sessions und die Bilder bedeuten, entscheidet mein Gegenüber. Das macht es spannend, aber auch unwägbar. Bei einzelnen Bildern ist die Bedeutung nicht gleich offensichtlich, ein Erfolg ist nur sehr indirekt messbar und auf sehr lange Sicht zu erkennen, wenn überhaupt.

Das ganze Unterfangen braucht einen sehr langen Atem. An diese Zeitspannen musste ich mich erst gewöhnen. Fotografie hat heute in der Regel viel kürzere Halbwertzeiten. Ein Auftragsbild hält oft nur bis zu seiner Veröffentlichung, dann hat es seinen Zweck erfüllt, und sofort ist das nächste Fotoset dran. Ich bin darauf angewiesen, dass die Portraitierten und auch die Betrachter viel Zeit und Geduld mitbringen, und ich bin glücklich, dass dies erkannt und wertgeschätzt wird.

Es ist ein Ringen um die Ewigkeit, in dem das einzelne Bild kaum etwas bedeutet. Vielleicht ist es eher ein Symbol für die Suche, oder für das Finden. Die wirklich guten Bilder halten ein Leben lang, weil sie untrennbar mit der Erfahrung verbunden sind, sich selbst erkannt zu haben.